Donnerstag, 05. Oktober
2017, von Wesel nach Rhederlaag, 80 km. Als Geburtstagsgeschenk gibt es einen
Sturm auf dem Rhein, bei dem uns die Seitenteile der Kuchenbude um die Ohren
fliegen und ein Kissen davon weht.
Mit gutem Wetter haben wir
ja ohnehin nicht gerechnet. Regen war angesagt bis mittags und Windböen bis 75
km/h. Als wir um neun Uhr starten, pfeift es auch noch nicht so schlimm, in den
Böen gerade mal bis 30 Knoten. Dafür regnet es ganz ordentlich. Die Wellenhöhe
ist noch bei etwa einem halben Meter und das Schiff wird nur um etwa 1,5 km/h
gebremst. Das ändert sich im Laufe der nächsten drei Stunden dann aber zu einem
ansehnlichen Spektakel. Der Wind kommt blöderweise genau aus der Richtung, in
die der Rhein hier überwiegend fließt, nämlich Nordwest. Das heißt, die
Anlaufstrecke, die dem Wind zur Verfügung steht, hohe Wellen aufzubauen, ist
ziemlich lang. Weil der Fluss mit etwa 5 km/h dem Wind entgegenströmt, steilt
sich das Wasser umso mehr auf, und zwar sicher etwa einen Meter hoch. Bis zu 40
Knoten Wind blasen uns entgegen, unsere Fahrt durchs Wasser geht bei 1350
Touren, mit denen wir sonst 10,5 km/h machen, bis auf 4 Kilometer pro Stunde
runter. Wir nehmen reichlich Gischt über und die Gipsy 5 veranstaltet
Bocksprünge wie ein Rodeogaul. In Deutschland wird „Xavier“, wie dieses
Orkantief benannt wird, andernorts für Todesopfer sorgen.
Ich bin gerade dabei zu
versuchen, das Scenario fotografisch festzuhalten, als mir auffällt, dass an
Backbordseite das Seitenteil unserer Kuchenbude fehlt. So ein Mist! Der
Reißverschluss ist aufgerissen und das gesamte Teil ist weggeflogen. Nein, doch
nicht ganz. Die Gummistropps, die das „Fenster“ unten an die Reling spannen,
halten den großen „Lappen“ noch fest. Ganz abnehmen kann ich die gut 2
Quadratmeter nicht, weil der Reißverschluss am „falschen“ Ende aufgerissen ist
und der Schließmechanismus die beiden Teile noch an einem Zipfel zusammenhält.
Also schnell noch ein paar Gummis schnappen und alles zusammenzunzeln. Heiliger
Strohsack, auf der anderen Seite passiert gerade genau dasselbe. Ich muss
allein klarkommen, denn Christine muss das Schiff steuern. Irgendwie bändige
ich auch das Fenster auf der anderen Seite. Diesmal, indem ich es nach oben
aufrolle, denn hier ist der Reißverschluss noch nicht ganz offen. So ein Ärger.
Erstens wird jetzt alles nass hinten im Cockpit und zweitens ist mir klar, dass
wir neue Reißverschlüsse werden einnähen lassen müssen, also wahrscheinlich die
nächsten Tage kein halbwegs wetterfestes Cockpit mehr haben werden. Jetzt fegt
der Wind ungehindert über die hintere Sitzbank und ehe wir auch nur einen
Gedanken daran verschwenden können, werden wir gewahr, wie die Kissen darauf
anfangen, durch die Gegend zu wirbeln. Eines geht über Bord. So ein Mist, die
Dritte! Wir überlegen kurz, ob es eine Chance gibt, das Ding per Mann über Bord
wieder zu bergen, aber uns wird schnell klar, dass das nicht geht. Hinter uns
fahren mehrere Handelsschiffe, denen wir in die Quere kommen würden. Außerdem
ist unser Boot zu hochbordig, als dass wir mit den Händen das Kissen fassen
könnten. Und mit einem Bootshaken kann man kein Polster an Bord holen. Schon
gar nicht bei Windstärke 8 auf dem Rhein. Also bye bye, liebes Kissen. Schöne
Geburtstagsgeschenke sind das.
Das Schiff selber schlägt
sich wacker. Ich denke hin und wieder darüber nach, was jetzt passieren würde,
wenn wir dreckigen Dieselsumpf in den Tanks hätten und Teer und Dreck den
Filter verstopfen würden. Zunächst fällt dabei die Drehzahl ab, irgendwann
stottert der Motor und bleibt dann stehen. Schwebstoffe in den Tanks lagern
sich unten ab und bleiben dort ruhig liegen, so lange das Schiff ruhig liegt.
Bei dem Tanz, den das Boot jetzt veranstaltet, würden solche Flocken aber
aufgewirbelt und schließlich von der Kraftstoffpumpe in die Filter befördert.
Glücklicherweise bleibt uns das erspart, denn damit hätten wir dann ein
richtiges Problem gekriegt. Man kann nämlich beileibe nicht überall auf dem
Rhein einfach anhalten. Schon gar nicht bei den Verhältnissen, die wir zur Zeit
haben.
Um 1245 biegen wir ab in den
Pannerdens Kanal. Hier wird die Strömungsgeschwindigkeit geringer und beträgt
noch etwa 2,5 km/h. Auch die Wellenhöhe ist nicht mehr ganz so hoch, wie auf
dem Rhein. Eine weitere Stunde später zweigt die Gelderse Ijssel rechts ab. Nun
ist es vorbei mit dem Seegang, denn erstens ändert sich die Flussrichtung auf
Nordost und zweitens ist die Ijssel höchstens noch ein Viertel so breit, wie
der Rhein. Die Strömungsgeschwindigkeit nimmt aber wieder zu und mit den 5
km/h, die wir nun wieder geschoben werden und der höheren FdW, kommen wir nun
auch wieder flott voran. Der Schiffsverkehr hat zudem deutlich abgenommen.
Während wir heute auf dem Rhein permanent von hinten gejagt wurden und uns
zeitweilig mehrere Schiffe gleichzeitig überholten, dieweil uns von vorn die
dicken Pötte entgegenkamen und uns die Gischt um die Ohren flog, sieht es nun
plötzlich deutlich friedlicher aus. Zwar gibt es nach wie vor Böen mit um die
25 Knoten, aber es scheint nun häufig die Sonne und es hat aufgehört zu regnen.
Christine ist übrigens bei der ganzen Aktion nicht schlecht geworden, was mich
doch erstaunt bei den heftigen Bootsbewegungen.
Schließlich laufen wir in
die Rhederlaag ein. Das ist ein riesiges Baggerloch mit mehreren Marinas,
Campingplätzen und Stränden. Wir finden einen Liegeplatz in der t Eiland
Marina. Um 15 Uhr haben wir die Leinen an Land. Im Office frage ich nach einem
Segelmacher. Es gibt tatsächlich einen vor Ort und den rufe ich gleich an, aber
er hat die Reißverschlüsse in beige nur bis 3 m Länge. Da fehlen 10 cm. Ok,
dann versuchen wir mal, ob wir selbst irgendwas flicken können. Und das gelingt
tatsächlich, indem wir die Endstücke am Reißverschluss aufbrechen und den
Schließer über das Ende rausziehen. Nun haben wir beide Teile getrennt. Jetzt
den Schließer auf die eine Seite wieder aufschieben und von vorn den
Reißverschluss wieder zusammenzippen. Das klappt. Ist zwar sicher keine
dauerhafte Lösung, weil am Beginn der Verschlüsse das Metallstück vom Stoff
abgerissen ist, aber fürs Erste können wir es achtern zumindest wieder trocken
haben. Nur, wenn es das nächste Mal so pfeifen sollte, müssen wir die Dinger
präventiv runternehmen.
Am Abend gönnen wir uns nach
einem langen Spaziergang ein schönes Geburtstagsessen in einem Restaurant hier
in der Marina. Wir sind die einzigen Gäste, werden aber ausgezeichnet bekocht.
Mit derart guter Küche und kulinarischen Highlights hatten wir überhaupt nicht
gerechnet. Wir finden allerdings, dass wir das heute durchaus verdient haben.
Gerade war es noch da, das Seitenteil der Kuchenbude. Der rundum laufende Reißverschluss (oben und linke Seite) ist von der falschen Seite her aufgerissen. Das Tuch hängt glücklicherweise noch an den Gummistropps, die die untere Kante an der Reling festhalten.
Gierseilfähre auf der Gelderse Ijssel. Die Fähre hängt an einem Seil, das in der Mitte des Fahrwassers stromaufwärts am Grund verankert ist. Das Seil wird über drei Schwimmpontons geführt. Man muss die Pontons auf der der Fähre abgewandten Seite passieren. Falls man (auf der richtigen Seite) am ersten Ponton vorbeigefahren ist und die Fähre losfahren sollte, hat man ein Problem, denn dann wird man regelrecht eingekeilt zwischen Ufer und Drahtseil/Pontons. Aber das wird der Skipper der Fähre ja wohl wissen und entsprechend lange warten, bis er startet.
Strand und Wohngegend am Rand des großen Baggersees.
t Eiland Marina in der Rhederlaag.
Unser Track in die Rhederlaag.
Track heute: Wesel-Rhederlaag, 80 km.
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