Dienstag, 29. Juni 2021

Wieder an Bord

Sonntag, 27. Juni 2021, Anreise nach Nävekvarn

 

Nachdem wir in der letzten Saison die Gipsy wegen der unsicheren Corona-Verhältnisse im verlängerten Winterschlaf belassen hatten, wollen wir jetzt wieder aufs Boot. Die Impftermine bekamen wir rechtzeitig genug, so dass wir uns nun 4 Wochen nach dem zweiten Schuss gut geschützt auf die Reise begeben können. Diese ist allerdings etwas kompliziert, denn zum Flughafen Stockholm Skavsta (der nur 30 km von unserem Werftplatz entfernt liegt) fliegen nur Billigairlines und dafür müssen wir erstmal nach Wien. Das wäre sehr komfortabel, denn es gibt einen durchgehenden Zug von FK zum Vienna Airport, der normalerweise auch nur sechseinhalb Stunden fährt, wenn …, ja wenn da nicht ein Schienenersatzverkehr über den Arlberg eingerichtet wäre, der die Fahrzeit natürlich verlängert. Also stehen wir schon um 5 Uhr auf, nehmen den Zug um viertel vor sieben und steigen bereits in Bludenz in den Bus um. Im Wiener Hauptbahnhof müssen wir nochmal umsteigen, weil es angeblich einen Defekt am Zug gibt. Wir haben aber genügend Zeit eingeplant, so dass kein Stress entsteht. Weil uns aber der Zugführer per Durchsage mitteilt, dass unser Ersatzzug zum Flughafen direkt am Nachbargleis stehe, wären wir fast nach Graz gefahren. Wir sitzen schon im Zug, als wir den Fehler bemerken. Gerade noch vorm Anrollen springen wir wieder raus. Der Zug, den wir nehmen müssen, fährt zwei Bahnsteige weiter entfernt los.

 

Der Flieger ist halbvoll und pünktlich. Um 1815 geht’s los, um 2010 landen wir in Skavsta. Wunderschönes Wetter die ganze Zeit und tolle Aussicht auf die Schären vor der Landung. Unsere Freunde Dorothea und Heiko warten freundlicherweise schon mit ihrem Leihwagen und so kommen wir auch die letzten Kilometer bequem nach Nävekvarn. Für zwei Nächte haben wir eine Unterkunft im Gästehaus der Marina gebucht. Von unserem Zimmer muss man nur eine Treppe runtergehen, dann stehen wir in der Halle vor unserer Gipsy 5. Natürlich muss ich gleich einen Blick ins Boot nehmen. An Deck ist es ziemlich staubig, aber das hatten wir eh erwartet. Unter Deck sieht es sauber aus, in der Bilge steht etwas Diesel, aber deutlich weniger, als befürchtet. Wir trinken noch einen Absacker mit Dorothea und Heiko in unserem jugendherbergsähnlichen Domizil (mit Toilette und Dusche am Gang) und fallen dann kurz vor Mitternacht ziemlich müde in die Kojen.



Kurz nach dem Start in Wien. Im Hintergrund der Neusiedler See, vor 15 Jahren noch Heimat der Gipsy III.

Im Anflug auf Stockholm Skavsta.


Wenn die Werft mit der Plastikabdeckung ein wenig gr0ßzügiger gewesen wäre, hätte man auch das ganze Oberdeck schön sauber halten können. Aber es sieht eh nicht besonders wüst aus.

      

Etwas Diesel in der Bilge, aber weniger, als erwartet.



Erster Spaziergang zum Hafen.


Gemeinschaftsraum der "Jugendherberge". Großer Vorteil: Wir sind nur eine Treppe von unserem Boot entfernt. 




 Blick aus unserem Zimmer auf das Werftgelände



Montag, 28. Juni 2021, Nävekvarn. Paketankunft und Vorbereitungen für den Launch.

 

Ich bin schon um halb sieben wach. Noch etwas groggy gehe ich aufs Boot, um die Batterien zu prüfen und zu laden. Die Frage ist, wie gut sie fast zwei Jahre überstanden haben, ohne einmal am Strom gehangen zu haben. Um Entladungen durch Kriechströme zu vermeiden, hatte ich Service- und Motorbatterien abgeklemmt, so dass auch das Werftpersonal zwischenzeitlich nicht nachladen konnte, denn dafür hätten sie einen Schlüssel gebraucht. Aber es ist alles in Ordnung, denn die Akkus sind noch zu etwa 50% voll und damit auf dem erwarteten Level, denn unsere Mastervolt Gel-Batterien sollen eine Selbstentladung von etwa 2% pro Monat haben. Der anfängliche Ladestrom von 50 Ampere geht innerhalb weniger Minuten auf 25 Ampere runter. Nach sechs Stunden sind die Dinger wieder voll. Prima!

 

Um 8 Uhr gemeinsames Frühstück, anschließend wieder zurück auf den Kahn. Klamotten und Bettzeug in vakuumierbaren Beuteln zu hinterlassen, war eine gute Idee, denn die Wäsche riecht wie frisch gewaschen, als wir sie auspacken. Den ganzen Tag sind wir beschäftigt und vormittags sind die Temperaturen in der Halle auch noch recht angenehm. Ab Mittag wird es aber zusehends wärmer und schweißtreibender. Auf der to-do-list stehen Arbeiten wie: Opferanoden austauschen, den Diesel aus der Bilge saugen/wischen (es ist dann doch nur etwa ein halber Liter), Batterien in sämtliche Fernbedienungen und elektronischen Geräte einsetzen (gut, dass ich sie herausgenommen hatte, denn einige Batterien sind an den Minus-Polen ziemlich blumig) und natürlich den neuen Heimathafen am Heck anbringen. Seit diesem Jahr fahren wir nämlich unter österreichischer Flagge. Und das kam so: Unser sehr günstiges und einfach zu erlangendes Pleasure Craft Certificate aus Holland, das wir bisher hatten, wurde nach Ablauf der zweijährigen Gültigkeit im Februar dieses Jahres nicht mehr verlängert. Einige europäische Länder wie Portugal und Italien wollten das Papier nicht mehr anerkennen und deshalb hat nun die niederländische Administration verfügt, dass dieses Zertifikat nur noch an niederländische Staatsbürger ausgegeben wird. Plötzlich sind wir also flaggenlos.

 

Stellt sich die Frage, unter welcher Flagge sonst man denn so fahren könnte. Für die österreichische Binnenzulassung müsste man das Boot zum Bodensee bringen. Auch die Zulassung in Deutschland ist mit ziemlich großen Hürden verbunden. Als Auslandsdeutscher braucht man einen Bürgen im Inland. Den hätte ich zwar wohl gefunden, aber gern möchte ich das ja niemandem zumuten. Nach wochenlangem Hin- und Her stellt sich dann heraus, dass wir nun doch einen österreichischen Seebrief bekommen können. Der dafür erforderliche Messbrief kann nun, anders als vor 4 Jahren, von den zugelassenen Zivilingenieuren aufgrund der vorhandenen Bootspapiere erstellt werden. 200 Euro kostet der Messbrief, der Seebrief selbst, von der Bezirkshauptmannschaft ausgestellt, ist etwas günstiger. Dieser muss dann noch mal – sogar kostenfrei – umgeschrieben werden, weil die Behörde aus unserem Schiffchen im Seebrief ein Segelboot gemacht hatte. Und das darf natürlich nicht sein. Große Entschuldigung des zuständigen Personals.

 

Jetzt prangt also Vienna am Heck der Gipsy 5, weil alle unter österreichischer Flagge fahrenden Seeschiffe eben in Wien registriert sind. Und wir führen nun also wieder rot weiß rot am Heck.

 

Am Abend finden wir in der Nähe kein offenes Lokal, wo wir noch etwas zum Beißen bekommen würden. Dorothea und Heiko haben glücklicherweise noch den Leihwagen, so dass wir die 20 Kilometer nach Nyköping fahren können, das wir ja von unseren zwei Aufenthalten im vorletzten Jahr noch ganz gut kennen. Unweit unseres alten Liegeplatzes gönnen wir uns im schönen Abendlicht auf der Terrasse eines Lokals Pizza. Anschließend testen wir zwei Flaschen Weißwein aus unserem Bordbestand, die zwei Jahre auf dem Boot übersommert und überwintert haben. Erstaunlicherweise scheinen sie keinen Schaden genommen zu haben.




Erste Aktion am Morgen: Massekabel wieder anklemmen. Dann können die Batterien aufgeladen werden.


Anfänglicher Ladestrom fast 50 Apere, ...


... der nach wenigen Minuten aber schon auf unter 20 Ampere sinkt.


Um dieses Paket, das ich selbst hierher geschickt hatte, gab es etwas Verwirrung. Am vergangenen Donnerstag meldete der Tracking-Status der Post: Befindet sich in der Auslieferung. Bei uns heißt das immer: Das Paket ist im Zustellfahrzeug und wird im Laufe des Tages angeliefert. Nachdem das zwei Tage später immer noch unverändert so im Internet abrufbar war, stelle ich eine Anfrage bei der Post. Antwort per Email: Liegt in Norrköping bei der Post zur Abholung bereit. Norrköping ist aber 50 km von Nävekvarn entfernt. Dann bekomme ich am Samstag eine SMS des Werftchefs. Er habe das Paket bei der Poststelle im lokalen Supermarkt abgeholt. Prima. Freundlich, wie ich bin, schreibe ich der Post zurück: Eure Auskunft war nicht richtig, das Paket wurde bereits abgeholt. Montag morgen in Nävekvarn (das Paket habe ich noch nicht gesehen) bekomme ich eine weitere Email von der Post. Man habe nochmal nachgeforscht: Das Paket liege in Norrköping zur Abholung. Jetzt werde ich unsicher. Vielleicht hat Mikael ein anderes Paket abgeholt (es fehlt nämlich noch ein weiteres), das aber nicht so wichtig ist. Eine Stunde später stellt sich dann heraus: Es ist erfreulicherweise das richtige Paket und es ist tatsächlich abgeholt worden und liegt trotz doppelter Nachforschung der österreichischen Post nicht in Norrköping. Na Gott sei Dank!


Neue Anoden. Die wichtigsten sind die Ringanoden auf der Welle, denn die alten sind deutlich angefressen.




Weil wir ab jetzt unter österreichischer Flagge fahren, braucht es auch den passenden Heimathafen am Heck.





 

 

Dienstag, 29. Juni 2021. Nyköping. Die Gipsy 5 kommt ins Wasser.

 

Es ist wunderbar, dass wir keinen Zeitdruck haben. Zwar haben wir den Termin, an dem unser Boot ins Wasser soll, bereits vor gut 3 Monaten vereinbart. Aber der Mensch, der das Hydraulikfahrzeug bedient, kommt erst zu Mittag. Außer uns und der Winnipesaukee sollen aber noch zwei andere Boote ins Wasser und ein Segler an Land gebracht werden.

 

Die Zeit am Vormittag nutzen Heiko und ich (jeder auf seinem Boot) für weitere Vorbereitungen, während die Mädels nach Nyköping fahren um den Leihwagen zurückzugeben und die Zeit für ein bisschen Shopping zu nutzen.

 

Um 14:30 sind wir dann an der Reihe. Ganz langsam geht es aus der Halle hinaus und dann rückwärts den Berg runter zum Hafen. Eine halbe Stunde später schwimmt die Gipsy 5 nach 22 Monate an Land wieder im Wasser. Der Motor springt sofort an, die Instrumente, Bug- und Heckquerstrahler funktionieren und das Ruder bewegt sich auch. Also tuckern wir gleich los und suchen uns einen freien Liegeplatz im kleinen Yachthafen.

 

Jetzt erstmal Wasser in die Tanks, damit wir uns an Bord die Hände waschen können. Alle Leitungen sind dicht, selbst aus den Mischbatterien tropft es nicht (eh klar, denn ich hatte extra ein paar Kartuschen im Gepäck dabei). Auch die Pumpen der Puffer-Abwassertanks funktionieren, nachdem die Schwimmerkontakte gereinigt sind. Die Fenster im Cockpit kommen wieder in die senkrechte Stellung, anschließend bauen wir das Zelt wieder auf. Dauert länger, als man glauben sollte, denn die dicken Reißverschlüsse brauchen immer viel gutes Zureden und viele Versuche, bis sie sich endlich schließen lassen. Wir sind happy, dass bisher alles klaglos funktioniert. Viel besser, als ich es für realistisch gehalten hatte. Dieses Mal haben wir viel Glück gehabt. Heiko und Dorothea haben leider etwas größere Sorgen, weil einige wichtige technische Geräte nicht so tun, wie sie sollten. Wird sich hoffentlich in den nächsten Tagen klären lassen.





Um 14 Uhr 30 geht's los. Alles schön langsam und sorgfältig. Schließlich werden hier 18 Tonnen bewegt.


Ich fahre in luftiger Höhe an Deck mit. Christine läuft hinterher.



Links das Gästehaus. Dahinter befindet sich die Halle, in der unser Boot überwintert hatte. Hinten im Werftgelände liegt eine Sun Odyssey 43 DS (Typ unserer Gipsy IIII)


Rückwärts bergab zum Hafen.




Bisher funktioniert alles perfekt. Unser erster Liegeplatz im Hafen von Nävekvarn.


Heute hat das Restaurant am Hafen geöffnet. Es gibt Salat als Dinner.

Danach noch "schnell" das Zelt aufbauen, ...


... und anschließend zum Sundowner auf die Winnipesaukee






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