Nachdem wir in der letzten Saison die Gipsy wegen der
unsicheren Corona-Verhältnisse im verlängerten Winterschlaf belassen hatten, wollen
wir jetzt wieder aufs Boot. Die Impftermine bekamen wir rechtzeitig genug, so
dass wir uns nun 4 Wochen nach dem zweiten Schuss gut geschützt auf die Reise
begeben können. Diese ist allerdings etwas kompliziert, denn zum Flughafen Stockholm
Skavsta (der nur 30 km von unserem Werftplatz entfernt liegt) fliegen nur
Billigairlines und dafür müssen wir erstmal nach Wien. Das wäre sehr komfortabel,
denn es gibt einen durchgehenden Zug von FK zum Vienna Airport, der
normalerweise auch nur sechseinhalb Stunden fährt, wenn …, ja wenn da nicht ein
Schienenersatzverkehr über den Arlberg eingerichtet wäre, der die Fahrzeit
natürlich verlängert. Also stehen wir schon um 5 Uhr auf, nehmen den Zug um
viertel vor sieben und steigen bereits in Bludenz in den Bus um. Im Wiener Hauptbahnhof
müssen wir nochmal umsteigen, weil es angeblich einen Defekt am Zug gibt. Wir
haben aber genügend Zeit eingeplant, so dass kein Stress entsteht. Weil uns
aber der Zugführer per Durchsage mitteilt, dass unser Ersatzzug zum Flughafen
direkt am Nachbargleis stehe, wären wir fast nach Graz gefahren. Wir sitzen
schon im Zug, als wir den Fehler bemerken. Gerade noch vorm Anrollen springen
wir wieder raus. Der Zug, den wir nehmen müssen, fährt zwei Bahnsteige weiter
entfernt los.
Der Flieger ist halbvoll und pünktlich. Um 1815 geht’s los, um 2010 landen wir in Skavsta. Wunderschönes Wetter die ganze Zeit und tolle Aussicht auf die Schären vor der Landung. Unsere Freunde Dorothea und Heiko warten freundlicherweise schon mit ihrem Leihwagen und so kommen wir auch die letzten Kilometer bequem nach Nävekvarn. Für zwei Nächte haben wir eine Unterkunft im Gästehaus der Marina gebucht. Von unserem Zimmer muss man nur eine Treppe runtergehen, dann stehen wir in der Halle vor unserer Gipsy 5. Natürlich muss ich gleich einen Blick ins Boot nehmen. An Deck ist es ziemlich staubig, aber das hatten wir eh erwartet. Unter Deck sieht es sauber aus, in der Bilge steht etwas Diesel, aber deutlich weniger, als befürchtet. Wir trinken noch einen Absacker mit Dorothea und Heiko in unserem jugendherbergsähnlichen Domizil (mit Toilette und Dusche am Gang) und fallen dann kurz vor Mitternacht ziemlich müde in die Kojen.
Montag, 28. Juni 2021, Nävekvarn. Paketankunft und
Vorbereitungen für den Launch.
Ich bin schon um halb sieben wach. Noch etwas groggy gehe
ich aufs Boot, um die Batterien zu prüfen und zu laden. Die Frage ist, wie gut
sie fast zwei Jahre überstanden haben, ohne einmal am Strom gehangen zu haben.
Um Entladungen durch Kriechströme zu vermeiden, hatte ich Service- und Motorbatterien
abgeklemmt, so dass auch das Werftpersonal zwischenzeitlich nicht nachladen
konnte, denn dafür hätten sie einen Schlüssel gebraucht. Aber es ist alles in
Ordnung, denn die Akkus sind noch zu etwa 50% voll und damit auf dem erwarteten
Level, denn unsere Mastervolt Gel-Batterien sollen eine Selbstentladung von
etwa 2% pro Monat haben. Der anfängliche Ladestrom von 50 Ampere geht innerhalb
weniger Minuten auf 25 Ampere runter. Nach sechs Stunden sind die Dinger wieder
voll. Prima!
Um 8 Uhr gemeinsames Frühstück, anschließend wieder zurück
auf den Kahn. Klamotten und Bettzeug in vakuumierbaren Beuteln zu hinterlassen,
war eine gute Idee, denn die Wäsche riecht wie frisch gewaschen, als wir sie
auspacken. Den ganzen Tag sind wir beschäftigt und vormittags sind die
Temperaturen in der Halle auch noch recht angenehm. Ab Mittag wird es aber zusehends
wärmer und schweißtreibender. Auf der to-do-list stehen Arbeiten wie: Opferanoden
austauschen, den Diesel aus der Bilge saugen/wischen (es ist dann doch nur etwa
ein halber Liter), Batterien in sämtliche Fernbedienungen und elektronischen
Geräte einsetzen (gut, dass ich sie herausgenommen hatte, denn einige Batterien
sind an den Minus-Polen ziemlich blumig) und natürlich den neuen Heimathafen am
Heck anbringen. Seit diesem Jahr fahren wir nämlich unter österreichischer
Flagge. Und das kam so: Unser sehr günstiges und einfach zu erlangendes
Pleasure Craft Certificate aus Holland, das wir bisher hatten, wurde nach Ablauf
der zweijährigen Gültigkeit im Februar dieses Jahres nicht mehr verlängert.
Einige europäische Länder wie Portugal und Italien wollten das Papier nicht
mehr anerkennen und deshalb hat nun die niederländische Administration verfügt,
dass dieses Zertifikat nur noch an niederländische Staatsbürger ausgegeben
wird. Plötzlich sind wir also flaggenlos.
Stellt sich die Frage, unter welcher Flagge sonst man denn
so fahren könnte. Für die österreichische Binnenzulassung müsste man das Boot zum
Bodensee bringen. Auch die Zulassung in Deutschland ist mit ziemlich großen
Hürden verbunden. Als Auslandsdeutscher braucht man einen Bürgen im Inland. Den
hätte ich zwar wohl gefunden, aber gern möchte ich das ja niemandem zumuten.
Nach wochenlangem Hin- und Her stellt sich dann heraus, dass wir nun doch einen
österreichischen Seebrief bekommen können. Der dafür erforderliche Messbrief
kann nun, anders als vor 4 Jahren, von den zugelassenen Zivilingenieuren
aufgrund der vorhandenen Bootspapiere erstellt werden. 200 Euro kostet der
Messbrief, der Seebrief selbst, von der Bezirkshauptmannschaft ausgestellt, ist
etwas günstiger. Dieser muss dann noch mal – sogar kostenfrei – umgeschrieben werden,
weil die Behörde aus unserem Schiffchen im Seebrief ein Segelboot gemacht
hatte. Und das darf natürlich nicht sein. Große Entschuldigung des zuständigen
Personals.
Jetzt prangt also Vienna am Heck der Gipsy 5, weil alle unter
österreichischer Flagge fahrenden Seeschiffe eben in Wien registriert sind. Und
wir führen nun also wieder rot weiß rot am Heck.
Am Abend finden wir in der Nähe kein offenes Lokal, wo wir
noch etwas zum Beißen bekommen würden. Dorothea und Heiko haben
glücklicherweise noch den Leihwagen, so dass wir die 20 Kilometer nach Nyköping
fahren können, das wir ja von unseren zwei Aufenthalten im vorletzten Jahr noch
ganz gut kennen. Unweit unseres alten Liegeplatzes gönnen wir uns im schönen
Abendlicht auf der Terrasse eines Lokals Pizza. Anschließend testen wir zwei
Flaschen Weißwein aus unserem Bordbestand, die zwei Jahre auf dem Boot
übersommert und überwintert haben. Erstaunlicherweise scheinen sie keinen
Schaden genommen zu haben.
Dienstag, 29. Juni 2021. Nyköping. Die Gipsy 5 kommt ins
Wasser.
Es ist wunderbar, dass wir keinen Zeitdruck haben. Zwar
haben wir den Termin, an dem unser Boot ins Wasser soll, bereits vor gut 3 Monaten
vereinbart. Aber der Mensch, der das Hydraulikfahrzeug bedient, kommt erst zu
Mittag. Außer uns und der Winnipesaukee sollen aber noch zwei andere Boote ins
Wasser und ein Segler an Land gebracht werden.
Die Zeit am Vormittag nutzen Heiko und ich (jeder auf
seinem Boot) für weitere Vorbereitungen, während die Mädels nach Nyköping
fahren um den Leihwagen zurückzugeben und die Zeit für ein bisschen Shopping zu
nutzen.
Um 14:30 sind wir dann an der Reihe. Ganz langsam geht es
aus der Halle hinaus und dann rückwärts den Berg runter zum Hafen. Eine halbe
Stunde später schwimmt die Gipsy 5 nach 22 Monate an Land wieder im Wasser. Der
Motor springt sofort an, die Instrumente, Bug- und Heckquerstrahler funktionieren
und das Ruder bewegt sich auch. Also tuckern wir gleich los und suchen uns
einen freien Liegeplatz im kleinen Yachthafen.
Jetzt erstmal Wasser in die Tanks, damit wir uns an Bord
die Hände waschen können. Alle Leitungen sind dicht, selbst aus den
Mischbatterien tropft es nicht (eh klar, denn ich hatte extra ein paar
Kartuschen im Gepäck dabei). Auch die Pumpen der Puffer-Abwassertanks funktionieren,
nachdem die Schwimmerkontakte gereinigt sind. Die Fenster im Cockpit kommen wieder
in die senkrechte Stellung, anschließend bauen wir das Zelt wieder auf. Dauert
länger, als man glauben sollte, denn die dicken Reißverschlüsse brauchen immer
viel gutes Zureden und viele Versuche, bis sie sich endlich schließen lassen.
Wir sind happy, dass bisher alles klaglos funktioniert. Viel besser, als ich es
für realistisch gehalten hatte. Dieses Mal haben wir viel Glück gehabt. Heiko
und Dorothea haben leider etwas größere Sorgen, weil einige wichtige technische
Geräte nicht so tun, wie sie sollten. Wird sich hoffentlich in den nächsten
Tagen klären lassen.
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