Samstag, 7. September 2019

Auswassern


Donnerstag, 5. September 2019. Nävekvarn. Die Gipsy 5 kommt aus dem Wasser und wir fliegen Richtung Heimat.

Um 8 Uhr soll eine große holländische Botteryacht aus dem Wasser genommen werden. Deren Crew ist mit dem Boot bereits um 7 Uhr an den Schwimmsteg der Slip-Rampe gefahren und um 8 Uhr mit allen Vorbereitungen fertig und zwar inklusive Mastlegen, wofür die entsprechenden Vorrichtungen an Bord und die Expertise des Skippers vorhanden sind.

Jetzt sollte also der Traktor mit dem Slipwagen kommen. Heute stehen 5 Boote zur Auswasserung auf dem Plan und da fängt man besser pünktlich an. Aber es wird 08:45 Uhr, bis das gelbe Gespann endlich den Berg herunter gefahren kommt. Für die komplizierte Technik der Hydraulik gibt es nur einen qualifizierten Bediener und der wohnt in Stockholm, etwa 120 Kilometer entfernt. Dann müsste der gute Kerl halt etwas früher losfahren, wenn die Arbeit um 8 Uhr beginnen soll. Als das holländische Boot endlich aus dem Wasser ist, verlegen wir an den Schwimmsteg des Slips, spülen dort den Motor mit Anti-Freeze, klemmen die Motor- und Servicebatterien ab und legen unsere Kuchenbude und die Sprayhood flach, damit wir in die Halle der Höhe nach hineinpassen. Wir sollten um 10 Uhr dran sein, aber ich rechne damit, dass es mindestens elf wird. Tatsächlich rollt die Transportmaschinerie um 1105 an. Um 1415 sollten wir zum Flughafen fahren, da müsste eigentlich noch genügend Zeit bleiben.

Unser Schiff bereitet der Crew einige Probleme. Ein so großes und schweres Boot haben sie offenbar selten (oder vielleicht auch nie zuvor) aus dem Wasser geholt. Der Slipwagen wird unter dem Boot im Wasser positioniert und dann mit dem Traktor langsam die schräge Rampe hochgezogen. Sieht doch gut aus, denke ich. Ist es aber nicht. Der Schwerpunkt liegt zu weit hinten. Beim Bergauffahren bestünde das Risiko, dass der Kahn rückwärts vom Hänger kippt. Also das Boot wieder ins Wasser und neu positionieren. Das muss mehrmals wiederholt werden. Nach sechs mal rein und raus passt es endlich und das Unterwasserschiff wird mit Hochdruck abgespritzt. Wir sind erfreut, dass das rote Antifouling noch sehr gut aussieht und nicht erneuert zu werden braucht. Mittlerweile ist es 12 Uhr und nach dem Säubern wird das Schiff zur Lagerhalle gefahren. Das ist zumindest der Plan. Nach etwa 50 Metern Fahrt stellt die Werftcrew fest, dass der Schwerpunkt immer noch nicht passt. Zu viel Gewicht vorn, was zur Konsequenz hat, dass das Gespann keine engen Radien fahren kann und deshalb nicht um die erste scharfe Kurve kommt. Also noch mal zurück. Am Schwimmsteg des Slips liegt mittlerweile die Bavaria von Renate und Eckart, die in der Zwischenzeit schon ihren Motor mit Frostschutz gespült haben und die Maschine berechtigterweise also nicht mehr anstellen wollen. Gemeinsam verholen wir das Boot mit Leinen an den gegenüberliegenden Steg. Unser Boot geht noch zwei Mal rein und raus. Mittlerweile ist es 1230.

Endlich liegt das Schiff richtig auf dem Transportwagen und es geht um die beiden engen Kurven und den Berg hinauf zum Werftgelände. Als wir schließlich vor dem Tor zu unserer Halle stehen, sehe ich sofort, dass wir zusätzlich zur Kuchenbude und Sprayhood auch noch die Scheiben der Sprayhood flachlegen müssen. Nun ist das Boot vom Kiel bis zur Oberkante der Lüfter auf der Kajüte nur noch 4,30 m hoch. Diese zusätzliche Arbeit ist erforderlich, weil der Fahrer unser Boot auf dem Trailer nicht bis knapp über den Boden absenken kann, sondern nach unten noch etwa 50 cm Luft verbleiben. Die Hydraulikzylinder schauen aber so aus, als wenn da dieser halbe Meter noch nach unten gefahren werden könnte. Ginge theoretisch auch, aber der Fahrer hat Bedenken, dass der Hydraulik anschließend die Kraft fehlt, das Schiff wieder hoch zu drücken. Wenn das nicht gelänge, könnte der Trailer nicht mehr unter dem Schiff herausgefahren werden. Ich bin stinksauer! Schließlich haben wir bei der Buchung angegeben, dass unser Boot 18 Tonnen wiegt und 5 Meter hoch ist. Außerdem hatten wir ein Foto geschickt. Die Schweden sind bei alldem völlig relaxed, während es bei uns an Deck nun so aussieht, wie ich das Boot eigentlich nicht verlassen wollte. Da wir davon ausgegangen waren, die Kuchenbude nach dem Transport wieder aufstellen zu können, haben wir die Zeltbahnen nicht abgenommen. Nun liegt das Tuch eingeklemmt zwischen den Gestängen an Deck herum und die Folienfenster werden wohl mit den Knicks, die sich nicht vermeiden ließen, überwintern müssen. Uns drängt langsam die Zeit, denn der Flieger wird sicher nicht warten. Ich gestehe dem Werftchef, dass ich leicht (die Untertreibung des Tages) genervt bin und mich noch nicht an die „relaxed swedish way of dealing with this kind of matters“ gewöhnt habe. Immerhin bekomme ich zu hören, dass man auch seitens der Werft noch eine Lernkurve zu bewältigen habe und sich schon mehr bemühen müsse, „more precise“ zu arbeiten. Schließlich sei es sein Job, „to please my customers“. Sehr nett und freundlich und hilfsbereit sind sie ja. In meinen Augen aber (noch) deutlich zu unprofessionell. Nach dem, was ich da heute erlebt habe, kommt mir in den Sinn, dass die Schweden noch gewaltiges Potential hätten, ihr Bruttoinlandsprodukt nachhaltig zu steigern.

Schließlich finde ich mich damit ab, dass wir eh nichts mehr ändern können. Eine Mitarbeiterin der Werft fährt uns als Serviceleistung zum Flughafen. Das wird offenbar allen angeboten, die von hier zum Stockholm-Skavsta Airport müssen. Die Fahrt dauert eine halbe Stunde und es bleibt tatsächlich noch genügend Zeit für einen Kaffee vor dem Abflug.

Im Ryan Air Flieger nach Bremen ist es knallevoll. Kein Wunder, wenn einige Plätze für 10 Euro verkauft werden (unser Nachbar im Flieger). Dass es dann eng zugeht, man die Rückenlehnen nicht verstellen kann und nicht einmal ein Haken vorhanden ist um eine Jacke am Sitz aufzuhängen, kann ich ja verstehen. Wer so billig anbieten will, muss halt sparen. Aber dass ein Bier für 6 Euro lauwarm serviert wird und die Flight Attendants den Taschenrechner bemühen müssen um auszurechnen, wie viel Wechselgeld sie herausgeben müssen, wenn sie bei einer Rechnungssumme von 11 Euro 21 Euro in die Hand gedrückt bekommen, müsste ja nun wirklich nicht sein. Dieser Tag will einfach nicht besser werden. Zwar kommen wir pünktlich in Bremen an und selbst der Zug nach Osnabrück wird pünktlich abfahren. Aber: Als Sahnehäubchen auf dem Sammelsurium von Ärgernissen stellt Christine am Bahnhof erschreckt fest, dass Ihr Rucksack fehlt. Sie kann sich nicht mal genau erinnern, ob sie ihn auf der Flughafentoilette oder im Taxi hat stehen lassen (der Rucksack bleibt übrigens verschollen trotz Nachfrage bei der Taxi-Zentrale und am Airport, Stand zwei Tage später).

Erst am Abend wird es wirklich schön. Mein Bruder holt uns vom Bahnhof ab und Anna hat phantastische Spaghetti mit selbstgemachtem Sugo gekocht. Und der Weißwein ist gut und kalt.


 Christine putzt das Vorschiff, nachdem wir an den Steg beim Slip verlegt haben.

 Der Seewasserkreislauf des Motors ist mit Frostschutz gefüllt. Kuchenbude und Sprayhood sind niedergelegt. Noch glauben wir, die Scheiben stehen lassen zu können und das gesamte Zelt später in der Halle wieder hinstellen zu können. Das wird sich aber leider als Irrtum erweisen.

 Während wir warten, plaudern wir mit Renate und Eckart, die mit dem Auswassern ihrer Bavaria nach uns dran sind. Sie müssen noch viel länger warten als wir. Nicht nur, dass unsere gesamte Haul-Out-Aktion zweieinhalb Stunden dauert. Danach macht die Trailer-Crew erst mal eine ausgiebige Mittagspause. Ich glaube nicht, dass irgendjemand die beiden davon in Kenntnis setzt, wann es denn nun für sie losgeht. Ursprünglich hatte man ihnen 11 Uhr versprochen. Was sind schon drei Stunden Verspätung?

 Für uns geht es um 1110 los.


 Zentimeter für Zentimeter wird das Boot auf dem Trailer aus dem Wasser gezogen.



 Das Boot liegt zu weit hinten. Alles retour. Zurück ins Wasser und neu positionieren. Das werden wir heute noch mehrfach erleben.

 Hydraulikschläuche und Ventile für die Bedienung der diversen Hydraulikzylinder auf dem Traktor.



 Sieht richtig aus? Immerhin ist das Boot jetzt zum sechsten Mal aus dem Wasser gezogen worden. So langsam es vorwärts geht und so unzureichend geplant hier alles für uns erscheint, eines muss man den Jungs lassen: Sie gehen sehr sorgfältig vor und sind extrem darauf bedacht, dass  nichts kaputt geht. Und das ist natürlich viel wert.



 Das Unterwasserschiff wird abgespritzt. Wir sind erstaunt, wie gut sich das Antifouling gehalten hat.


 Die Anoden am Ruder werden wir wohl ersetzen müssen.

Noch stärker angefressen ist die Wellenanode.

 Eine Problemzone ist auch immer wieder die Vorderkante des Ruders. Hier hatten wir vor zwei Jahren eine massive Edelstahlwelle einschweißen lassen. Dieser ganze Bereich bedarf im Winter jedenfalls einer intensiven Bearbeitung. Wahrscheinlich lassen wir Epoxy draufmalen.

 Aber dann stellt sich bei der weiteren Fahrt heraus (und zwar genau in dieser Kurve), dass das Schiff immer noch zu vorlastig platziert ist. Also wieder retour ...

 ... und noch mal zurück ins Wasser.

 Jetzt aber: Endlich geht es den Berg rauf zu den Hallen der Werft. Mittlerweile sind anderthalb Stunden vergangen.


 Verflixt wenig Platz nach oben. Wir müssen die Scheiben auch noch flachlegen.



 So lassen wir das Boot nur ungern zurück. Wenn wir gewusst hätten, dass wir die Kuchenbude nicht wieder hinstellen können, hätten wir die Zeltbahn abgenommen, ordentlich gefaltet und unter Deck verstaut. Das lässt sich in diesem Zustand kaum noch machen und außerdem fehlt uns jetzt die Zeit dafür.















Rechtzeitig am Flughafen. Auch der Flieger startet pünktlich.

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